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18.11.2010: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BB

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg
Beschluss der 29. Landesdelegiertenkonferenz

am Samstag, 13. November 2010
im E-Werk, Am Nottehafen 4, 15806 Zossen

Vorrang für Lärmschutz: Rot-Rot muss handeln!
Die öffentlichen Proteste um die BBI-Flugrouten haben sich ausgezahlt: Nach Monaten der
Geheimhalte-Politik und Fehlkommunikation bekennt sich nun endlich auch die rot-rote
Landesregierung dazu, dass am Flughafen Schönefeld BBI die Wirtschaftlichkeit den
Lärmschutzinteressen nachgeordnet werden muss. Dieser richtigen Einsicht muss nun unverzügliches
Handeln der Regierungen in Potsdam und Berlin folgen. Denn mit der für Sommer 2012 geplanten
Eröffnung des BBI wird es zu einer völlig neuen Qualität der Lärmbelastung der Menschen in den Anund
Abflugschneisen kommen. Heute gibt es ca. 75.500 Flugbewegungen pro Jahr, und zwar mit
modernen Mittelstreckenmaschinen. Der BBI ist für 360.000 Flugbewegungen (rund Faktor 5) und
mit interkontinentalem Verkehr geplant, das sind rund 1.000 Flüge in den 18 Stunden zwischen 5 und
23 Uhr. Im Klartext: Jede Minute ein Flugzeug.

Es geht jetzt darum zu entscheiden, mit welchen Flugrouten der BBI so betrieben wird, dass die
Lärmauswirkungen minimiert werden. Dabei rächt sich, dass der Standort Schönefeld 1996 politisch
motiviert gegen den Standort Sperenberg durchgesetzt und die Planfeststellung gegen 120.000
Einwendungen und Tausende Klagen von Lärmbetroffenen durchgeführt wurde. Denn dass der
Standort Schönefeld für einen Großflughafen ungeeignet ist, wurde bereits im
Raumordnungsverfahren Anfang der 1990er Jahre festgestellt, jedoch von Seiten der
Landesregierungen nicht weiter kommuniziert. Der erste Routen-Vorschlag der zuständigen Behörde,
der Deutschen Flugsicherung (DFS), hat daher zu Stürmen der Entrüstung in Berlin und Brandenburg
geführt. Jetzt erkennen viele Menschen, dass der Lärm nicht auf die unmittelbare Umgebung
beschränkt bleibt, fühlen sich getäuscht und sind zu Recht wütend über die Informationspolitik der
Flughafeneigner – dazu zählen auch die Länder Berlin und Brandenburg.

Trotz aller berechtigten Kritik am ersten Flugroutenvorschlag und der Informationspolitik der DFS: Die
Vorschläge basieren auf Vorgaben der Flughafenbetreiber, die an einem wirtschaftlichen Betrieb des
BBI Interesse haben. Bisher stand der Lärmschutz hinten an, doch mittlerweile hat die
Empörungswelle erzwungen, dass die Regierungen in Berlin und Potsdam ein klares Bekenntnis zum
Lärmschutz abgeben mussten – auch auf Kosten der Wirtschaftlichkeit.

Die rot-roten Landesregierungen in Potsdam und Berlin müssen nun ihren neusten schönen Worten
echte Taten folgen lassen und die Belastung für alle Menschen, sei es in der Berlin oder Brandenburg,
sei es östlich oder westlich der Startbahnen, möglichst gering halten. Für uns Bündnisgrüne ist dabei
wichtig, nicht zwischen „mehr“ oder „weniger“ Schutzbedürftigen zu unterscheiden. Lärm belastet
jeden. „Altbetroffene“ gibt es nicht, denn die aktuelle Belastung ist nicht mit der kommenden
vergleichbar.

Wir fordern daher von den rot-roten Landesregierungen in Brandenburg und Berlin:
- Lärmschutz klar den Vorrang einzuräumen.

Bislang spielte in den Vorgaben der Landesregierungen für die Flugrouten die Wirtschaftlichkeit des BBI die Hauptrolle. Unter dem Druck der Proteste scheint ein Umdenken zu erfolgen, das Bündnis 90/Die Grünen
Brandenburg nachdrücklich unterstützen. Bei der Festlegung der Flugrouten muss an erster
Stelle die Verkehrssicherheit, dann aber der Lärmschutz und somit die Gesundheit der
betroffenen BürgerInnen kommen. Erst danach dürfen die Kriterien der Wirtschaftlichkeit
berücksichtigt werden. Die Landesregierungen sollten sich dem Fachurteil des
Bundesverkehrsministers beugen und Prognosen zu den Starts und Landungen nach unten
korrigieren. Weniger Flugverkehr heißt weniger Lärm und eröffnet neue Möglichkeiten der
Nutzung der Start/Landebahnen zur Entlastung der Flughafenanrainer.

- auf zeitgleiche parallele Starts und Landungen verzichten

Damit wird die Möglichkeit gegeben, die bereits durch die Landeanflüge gesundheitlich belasteten Anwohner zumindest
im Abflug zu entlasten. Ein vollständiges Abkurven vor den Siedlungsachsen an der Görlitzer
und Dresdener Bahn kann die Betroffenenzahl verringern. Beispielsweise könnte die südliche
Bahn so in Richtung Osten vorrangig zum Starten verwendet werden. Das würde die
überflogene Siedlungsfläche deutlich vermindern.

- ein vollständiges Nachtflugverbot umzusetzen.

Die Landesregierungen in Potsdam und Berlin träumten den Traum vom internationalen Drehkreuz und haben deshalb immer versucht, den Flugbetrieb rund um die Uhr stattfinden zu lassen. Ein Flughafen in dicht besiedeltem Gebiet
kann aber nicht 24 Stunden non-stop betrieben werden. Das hat auch das
Bundesverwaltungsgericht bestätigt, indem es wenigstens ein eingeschränktes
Nachtflugverbot durchsetzte. Da in den „Randzeiten“ (22 bis 0 Uhr und 5 bis 6 Uhr) auch
geflogen wird, bleiben nur fünf Stunden Nachtruhe. Rot-Rot hat es in der Hand, endlich ein
konsequentes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr anzuordnen.

- Den Traum vom „internationalen Hub“ fallen lassen.

Ein Drehkreuz zieht Langstreckenflugzeuge, die sehr laut sind und langsam steigen, an. Damit werden die
Wohngebiete über jedes erträgliche Maß hinaus belastet. Wenn ein internationaler
Drehkreuzbetrieb nicht abweisbar ist, muss dieser an anderer Stelle befriedigt werden. Der
Standort Schönefeld ist hierfür nicht geeignet. Die Festschreibung des Landesentwicklungplans
Berlin Brandenburg, den gesamten Flugverkehr der Region auf Schönefeld zu konzentrieren,
ist zu ändern.

- mit einer Gebührenordnung laute und veraltete Maschinen stärker zu belasten und so vom
BBI fernzuhalten.

Zudem sind alle versteckten und offenen Subventionen durch dieFlughafengesellschaft oder das Land zu streichen. Kein Erlass von Gebühren, keine subventionierten Terminals, keine Steuerbefreiung von Flugbenzin. Wo die Länder nicht zuständig sind, müssen sie sich für eine Veränderung auf Bundesebene einsetzen.

- einen echten BürgerInnendialog aufzunehmen und diesen finanziell auszustatten.

Der BBI wurde den Bürgerinnen und Bürgern von oben herab verordnet, eine echte Partizipation fand
nicht statt. Die Fluglärmkommission muss lediglich angehört werden und ist damit ein
zahnloser Tiger. In einem finanziell gut ausgestatteten Forum sollen Flughafengesellschaft und
Lärmschutzbetroffene direkt über Fragen des aktiven und passiven Lärmschutzes verhandeln.
In dieser dauerhaften Institution müssen auch die zuständigen Behörden (Luftfahrtbehörde,
Immissionschutzbehörde etc.) beteiligt werden. Die Ergebnisse des Dialogs sind umzusetzen.

- Betroffene müssen auch über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus ausreichenden
Schallschutz und Entschädigung erhalten.

Der Planfeststellungsbeschluss weist ausdrücklich darauf hin, dass sich die Schutzgebiete ändern können und dass die Lärmschutzmaßnahmen entsprechend angepasst werden müssen. Das Lärmschutzprogramm wird aktuell nur sehr
zögerlich umgesetzt. Es treten eine Reihe von Problemen auf, so sind z. B. bestimmte
Dachgeschosse und Häuser in Holzbauweise nur sehr schlecht vor Lärm zu schützen, jedenfalls
nicht mit dem gedeckelten Betrag, der pro Gebäude maximal vorgesehen ist. Wir fordern die
Flughafeneigner auf, einen Fond zur Verfügung zu stellen, um in solchen Fällen
Sonderlösungen, bis hin zur Umsiedlung, zu ermöglichen.

- Das Schallschutzprogramm muss sich an dem Schutzniveau der SchallschutzVO orientieren,

das im Umweltausschuss des Bundesrates einvernehmlich beschlossen worden ist. Die
Vereinbarungen zu den durchzuführenden Schallschutzmaßnahmen sind bürgerfreundlich zu
gestalten und haben Sicherheitsmargen zu enthalten, um den Betroffenen ausreichenden
Schutz zu gewähren. Im Rahmen der Festlegung von Flugrouten Betroffene sollen ebenso
Schutz- und Entschädigungsansprüche erhalten. Vor Beginn des Flugbetriebes sind alle Bürger
ausreichend vor den Auswirkungen des Fluglärms zu schützen

- Das Urteil des Verfassungsgerichts umsetzen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundstückswertverlusten und zu dem maßgeblichen Stichtag für die Wertermittlung ist umgehend von der Landesregierung durch eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses
umzusetzen. Das bedeutet, dass Wertverluste, die bereits aufgrund des Konsensbeschlusses
von 1996 eingetreten sind, zu berücksichtigen sind. Dieses betrifft sowohl den Umfang der
Außenwohnbereichsentschädigung wie auch die Entschädigung bei kompletter Übernahme
des Grundstücks. Sofern Grundstückseigentümer umgesiedelt werden wollen, sind
bürgerfreundliche Regelungen zu treffen.

- sicherzustellen, dass die Vereinbarungen auch nach Inbetriebnahme des BBI eingehalten
werden.

Dazu muss die Flughafen-Betreibergesellschaft FBS Lärmmessstationen und Stationen
zur Flughöhenerkennung installieren, damit die Lärmbelastung und die Einhaltung der
Flugrouten dauerhaft kontrolliert werden können. Die Gemeinden sollen hierbei die Standorte
mitbestimmen. Die Daten sind öffentlich zu machen, das Beschwerdemanagement muss leicht
öffentlich zugänglich sein.

- Bürgerinitiativen unterstützen.

Der DFLD, eine Initiative von Fluglärmbetroffenen, ist finanziell zu unterstützen, damit ein unabhängiges Messnetz - mit den bereits jetzt möglichen Analysen zu jeder einzelnen Flugbewegung - auch um den Flughafen Schönefeld herum aufgebaut werden kann.
Die rot-roten Landesregierungen in Brandenburg und Berlin tragen die politische Verantwortung für
den Bau und den Betrieb eines Großflughafens in einem dicht besiedelten Gebiet. Die Deutsche
Flugsicherung DFS hat nun die Aufgabe, unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen An- und
Abflugrouten festzulegen, die möglichst wenige Menschen belasten. Wir fordern von der Deutschen
Flugsicherung:

- Die Festlegung eines Lärmindexes, der Intensität und Anzahl der Schallereignisse sowie die
Anzahl der jeweils Betroffenen ausdrückt.

Mit einer solchen objektivierten Belastungszahl sind verschiedene Varianten von Flugrouten vergleichbar und auf einer rationalen Basis diskutierbar. Das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) hat einen
konstruktiven Vorschlag hierzu in die Fluglärmkommission eingebracht, den wir begrüßen.
Allen AnwohnerInnen im Umfeld des BBI muss nachvollziehbar und verständlich sein, welche
Routenvariante am wenigsten Lärmbelastung mit sich bringt.

Flugrouten sind so anzupassen, dass die Hauptbetroffenen besonders berücksichtigt werden.

Insbesondere muss der Überflug in geringer Höhe über dicht besiedelten Gebieten so weit wie möglich vermieden werden. Dabei sind selbstverständlich die aktuellsten Siedlungsdaten zu verwenden.

- neben den bereits vorgeschlagenen Flugrouten müssen weitere Varianten entworfen werden.

Nur so sind – zusammen mit dem jeweiligen Lärmindex – Vergleiche möglich. Dabei sind
Routen für Ost- und Westwindlagen sowie für verschiedene Flugzeugtypen zu berechnen.
Ferner sind Flugrouten zu entwerfen, bei denen die Flugzeuge vor besiedeltem Gebiet nach
dem Start abkurven und so den Lärm über Siedlungen verringern. Gleiches gilt für den
Landeanflug – hier zeigen andere Flughäfen wie Frankfurt/Main, dass mit Hilfe moderner
Leitsysteme auch beim Anflug gekurvte Flüge möglich sind. Zudem müssen auch die
Möglichkeiten für Steilstart- und Landeverfahren und verlegte Abhebe- und Aufsetzpunkte
untersucht werden, mit dem Ziel, möglichst große Überflughöhen über besiedeltem Gebiet zu
erreichen.
Die Landesregierungen von Brandenburg und Berlin haben es in der Hand. Sie müssen schnell und
entschlossen handeln, damit die Unsicherheit in der Bevölkerung beendet wird und noch Zeit für
Schutzmaßnahmen bleibt, bevor der BBI in Betrieb geht.