Workshop beleuchtet Potenziale für Radtourismus / Wegekonzept zeigt Möglichkeiten und Hürden
Kleinmachnow - Micheal Lippoldt ist etwas in Sorge geraten. Soeben hat er von dem Tourismusexperten Andreas Lorenz gehört, dass jährlich über eine Million Berliner mit dem Rad Ausflüge in der Mark unternehmen. Jeder zehnte Radtourist verlässt mehr als zehn Mal im Jahr die Stadtgrenze per pedales. Die Vorstellung, dass unter Umständen Millionen Hauptstädter durch Kleinmachnow – quasi den Berliner Vorgarten – radeln, ist Lippoldt etwas unheimlich. „Da verlässt einen der Mut vor der eigenen Courage.“ Der Kleinmachnower engagiert sich in der Interesengemeinschaft „Teltowkanalaue“, die engagiert und nachhaltig Rad- und Wanderwege an den Ufern der Wasserstraße fordert. Am Montag hatte die Initiative gemeinsam mit der IHK zu einem Workshop „Radtourismus am Teltowkanal“ eingeladen.
Doch letztlich sind es die Potenziale der Kanalaue, die an der Idee festhalten lassen, den Natur- und Landschaftsraum mit seinen Wegmarken wie dem Südwestkirchhof oder der Hakeburg zu einem Regionalpark zu gestalten. Ein leichtes Relief, Wassernähe, schnelle Erreichbarkeit, ÖPNV-Anschluss definiert der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) als Kriterien für einen gut funktionierenden Radtourismus. Das Terrain am Teltowkanal erfüllt diese Konditionen bestens. Ziel müsse es daher sein, „den Teltowkanal als eigenes radtouristisches Produkt zu definieren“, so Tourismusberater Lorenz.
Ohne Hindernisse von Zehlendorf bis Griebnitzsee zu radeln oder zu wandern, ist erklärtes Ziel der Interessengemeinschaft. Bislang ist das nicht möglich. An der Rammrathbrücke in Teltow zum Beispiel gibt es kein Weiterkommen. Auch durch die Kiebitzberge führt kein Weg, ebenso markiert die Machnower Schleuse einen Endpunkt. Barbara Markstein vom Büro „Ökologie und Planung“, das im Auftrag der drei Kommunen ein Konzept für ein durchgängiges Wegenetz erarbeitet, hat vier „Wertstufen“ des gegenwärtigen Zustandes der Wege ermittelt. So gibt es bereits gut begeh- und fahrbare sowie asphaltierte Strecken, aber auch kaum oder nicht nutzbare Abschnitte. 10 der ingesamt 18 Kilometer gehören zum Betriebswegenetz der Wasser- und Schifffahrtdirektion, mit der über eine Nutzung verhandelt werden müsste. Fünf weitere Kilometer gelten als unproblematisch, drei hingegen als „sehr kompliziert“, da der Wegebau aus naturschutzrechtlicher Sicht schwierig sei. Brandenburgs Landesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Jens Klocksin bereits angekündigt, dass Eingriffe in Naturräume beim Wegebau einer strengen Prüfung bedürfen. Als nächstes soll das Konzept nun der Wasserstraßen- sowie Naturschutzbehörde vorgestellt werden. Zudem gilt es, die exakten Kosten zu ermitteln und Fördermittelchancen zu prüfen.
Ganz gleich, ob die Wege links und rechts des Kanals zur touristischen Transitstrecke avancieren oder sie dazu beitragen, die Verweildauer und Aufenthaltsqualität zu erhöhen – der Radfahr- und Naherholungstourismus würde die örtliche und regionale Infrastruktur bereichern und das Gastronomie- und Beherbungsgewerbe ankurbeln. In Deutschland werden jährlich durch den Fahrradtourismus fünf Milliarden Euro umgesetzt, allein im Land Brandenburg steigen 500 000 Freizeitpedaleure vom Rad in Hotels und Pensionen ab. In Teltow bietet das direkt am Kanal gelegene Hotel „Courtyard by Marriot“ einen „Bett & Bike“-Service an. Für eine bessere Vermarktung der Angebote und Potenziale wünscht sich Hotel-Chefin Siegrid Stelling, dass die Tourismus Marketing Brandenburg GmbH auch den Teltowkanal als Ausflugziel propagiert.
Lippoldts Sorge, dass Berliner Pedalritter in Scharen in Kleinmachnow einfallen, teilt Tourismusexperte übrigens nicht. Der Ansturm ließe sich durch eine „bewusste Planung und Wegeführung“ beherrschen. P. Könnicke