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01.08.2012: Pressemitteilung 134/12

Pressemitteilung 134/12
Das Flughafenurteil:
“Lizenz zum Lügen im Namen des Volkes”

Zu den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die dem
Bundesverwaltungsgericht von Klägern aus Kleinmachnow, Rangsdorf und Zeuthen
vorgelegt worden sind, habe es bei der mündlichen Verhandlung am 3. Juli dieses
Jahres von Seiten des 4. Senats noch geheißen: Die Antragsteller könnten ziemlich
sicher davon ausgehen, dass die erforderlich Frist eingehalten und von daher die
Widereinsetzung möglich sei. Bei der Urteilsverkündung am 31. Juli war dann aber
alles anders – Ablehnung der Wiedereinsetzung und Ablehnung der Klagen wegen
Verfristung. Da nach dem Ende der Klagefrist im Jahre 2005 mehr als ein Jahr
verstrichen sei, könne ein Wiedereinsetzungsantrag nur bei Vorliegen „höherer
Gewalt“ erfolgreich sein. Ein solcher Fall wäre, dass die Planfeststellungsbehörde bei
den Klägern einen Irrtum über die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit erregt hätte.
Dass genau dieses den Kläger widerfahren ist, wollte der 4. Senat jedoch nicht
erkennen. „Das war die eigentliche Überraschung am heutigen Tag“, kommentiert
MICHAEL LIPPOLDT das Urteil von Leipzig.
Es sind auch andere Entscheidungsgründe, die das Urteil des höchsten deutschen
Verwaltungsgerichts fragwürdig erscheinen lassen. So argumentiert der 4. Senat
z. B., das Festhalten der verantwortlichen Behörden an den geraden Abflugrouten
sei für den Bestand der Planfeststellungsgenehmigung zwar risikoreich gewesen.
Das Interesse der Flughafengesellschaft an der Nicht-Veränderung des
Datenerfassungssystems, das allen Untersuchungen zu den Auswirkungen des
Flughafens am Standort Schönefeld als Grundlage dienen sollte und nur mit
vergleichsweise hohen Kosten veränderbar gewesen sei, hätte dieses Festhalten an
den geraden Routen nicht rechtfertigen können. Entscheidend sei nur, dass sich
nach Auffassung des 4. Senats Ausmaß und Umfang der Lärmbelastung nicht
verändern, egal ob gerade oder abknickend gestartet wird. Dass diese Auffassung
jedoch nicht zu begründen ist, hatten die Kläger aus Kleinmachnow mit einem
ingenieurtechnischen Lärmwirkungsgutachten auf der Grundlage der abknickenden
DFS-Routen vom 6. September 2012 nachgewiesen. Die Ergebnisse dieses
Gutachtens haben die Richter aber als nicht entscheidungserheblich verworfen, weil
sich die Routen ja im Zeitablauf schon wieder geändert hätten. Und ein neues
Beweis-Gutachten wollte der 4. Senat in der mündlichen Verhandlung gar nicht erst
zulassen.
Dafür, dass die von den abknickenden Flugrouten Betroffenen von der
Planfeststellungsbehörde arglistig getäuscht worden sind, sah der 4. Senat bei der
Urteilsbegründung keine Anhaltspunkte. Er habe jedoch zuvor auch hier die
Beweisanträge der Kläger abgelehnt, die genau diese Anhaltspunkte zu Tage
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gefördert hätten, erinnert der Kleinmachnower BI-Sprecher.
Freude dürfte bei Flughafengesellschaft und Planfeststellungbehörde aufgekommen
sein, als der 4. Senat in seiner Urteilsbegründung der Irreführung der Bürger einen
breiten Korridor eröffnet hat. „Das mutet wie eine Lizenz zum Lügen im Namen des
Volkes an,“ hieß es dazu von kritischen Beobachtern der heutigen
Urteilsverkündung. Die Flughafengesellschaft mag sich ermuntert fühlen, mit ihrer
von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer (CSU) gerügten Vertuschungspolitik und
Schönrederei fortzufahren. Dramatisch für die Bürger aber ist, dass treuwidriges
Verhalten von Planungsverantwortlichen ohne Sanktionen bleiben soll. „Wenn künftig
mit dem Segen des Bundesverwaltungsgerichts mit falschen Betroffenheiten geplant
werden darf, wird der Sinn einer Planfeststellung pervertiert. Für ein solches
gravierendes Rechtsstaatsdefizit darf es in einem Land wie der Bundesrepublik
Deutschland keinen höchstrichterlichen Freibrief geben,“ resümiert LIPPOLDT und
erinnert dazu an die Botschaft, die Bundespräsident JOACHIM GAUCK in seiner
Rede vom 23. März 2012 der politischen Klasse ins Stammbuch geschrieben hat:
„Wenn die Zahl der Menschen wächst, die den Eindruck haben, ihr Staat meine
es mit dem Bekenntnis zu einer gerechten Ordnung in der Gesellschaft nicht
ernst, sinkt das Vertrauen in die Demokratie.“
In der Folge des Leipziger Urteils
könne dieser Prozess weiter beschleunigt werden.

Kleinmachnow, den 31.7.2012
V.i.S.d.P.: Michael Lippoldt