Von peter E R N S T aus Güterfelde
Das erst im vorigen Jahr wiedererstandene Schlupfloch über die alte Autobahnbrücke über den Teltowkanal nach Berlin ist nun, wie es heißt im Zuge des Verkehrsprojektes 17 „Deutsche Einheit,“ wirksam geschlossen. Alle bisherigen Bemühungen der Sperrung waren an der Uneinsichtigkeit der Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer gescheitert, die aus nicht nachzuvollziehenden Gründen aus Berlin, Dreilinden durch die Düppeler Heide in die Parforceheide vordringen wollten. Sie sagten nur „Sesam öffne Dich“ und alle Türschlösser sprangen immer wieder auf. Da mußten Nägel mit Köpfen gemacht, und der verbindende Laufsteg total entfernt werden. Nun sollen die Unbelehrbaren sich bitte schön nach Kohlhasenbrück zur Kätchenbrücke oder nach Kleinmachnow zur Schleusenbrücke bemühen, damit muß genug sein mit Verbrüderung. Dem nicht Eingeweihten mag dies alles erst recht spanisch vorkommen, deshalb von vorn und der Reihe nach: Die Berliner AVUS sollte vor dem Krieg mit dem südlichen Autobahnring verbunden werden. So nannte man das 1939 fertig gestellte neue verbindende Stück „AVUS-Zubringer“. Wer noch im Besitz einer alten Karte ist, wird sich über die gewundene Streckenführung wundern. Dies ist der Rücksichtnahme auf wertvolle Natur und ein Baudenkmal geschuldet. Ein Hochmoor bei Dreilinden, die große Rohrlake und das Jagdschloß Stern in der Parforceheide wurden umfahren und verschont. Sogar die Brücke über den Teltowkanal bei Albrechts-Teerofen überbrückt nicht nur den Kanal von Ufer zu Ufer, sondern auch noch einen besonders breiten Uferstreifen der wertvollen Teltowkanalaue. Schon nach 6 Jahren sollte diese Brücke in die Geschichte eingehen. In den letzten Kriegstagen wurde sie erst einmal, wie alle Kanalbrücken, im Rahmen der Verteidigung der Reichshauptstadt gesprengt. Nach der Potsdamer Konferenz gehörten auch die westlichen Alliierten zu den in Berlin stationierten Besatzungstruppen. Für eine Straßenverbindung zu ihren Besatzungszonen brauchten sie diese Autobahnstrecke und die Brücke wurde schnell und gut wiederhergestellt. Man muß zum Verstehen der weiteren Entwicklung den eigenartigen Verlauf der Stadtgrenze in diesem Bereich kennen. Kohlhasenbrück, das alte Landgut Eule und Albrechtsteerofen südlich des Kanals gehören zu Berlin, dagegen gehört das nördlich gelegene Dreilinden wieder zu Brandenburg. Eigentlich kein Problem, doch nun kommt die Politik ins Spiel: Der Reisende aus Westdeutschland erreicht nach langer Fahrt durch Feindesland 300 m vor dem Kanal sicheren Berliner Boden und muß ordnungsgemäß von Militärposten und Deutscher Polizei empfangen und registriert werden. Hier und nirgendwo anders mußte der Kontrollpunkt „Checkpoint Bravo“ errichtet werden. Allerdings ist das zur Verfügung stehende Berliner Autobahnstück man eben gerade 300 m lang, denn ab Mitte Kanal ist wieder Sowjetische Besatzungszone. Diese hatte die Schranken ihres Kontrollpunktes 2 km südlich an der ehemaligen Autobahnabfahrt Großbeerenstraße errichtet. Dort war für den Autofahrer ihres Machtbereiches Schluß mit Autobahn. Nun muß man sich vorstellen: Der Westverkehr wird das letzte Mal an der Großbeerenstraße bestens kontrolliert. Was geschieht aber auf der Autobahnstrecke durch den Wald bis zum Teltowkanal? Da kann ja sonst was passieren! Es entstanden deshalb viele Arbeitsplätze zur Absperrung und Bewachung des Waldes. Schlimm genug? Keinesfalls, hinter dem Kanal nach der Abfertigung auf der Brücke geht es ja gleich wieder los mit sowjetischer Zone! – The same procedure as before -, bis zum Zehlendorfer Kleeblatt, genau bis Mitte der Königswegbrücke, mußte jeder Kontakt zu den Reisenden unterbunden werden. Bald nach Kriegsende führten die Bemühungen um eine Wiederaufnahme des S-Bahnverkehrs zur Inbetriebnahme der Strecke Wannsee – Stahnsdorf, wegen der zerstörten S-Bahnbrücke über den Kanal jedoch anfangs nur bis Dreilinden. Wie sollten aber die Güterfelder, Stahns- und anderen Dörfer bei den zerstörten Brücken diesen Bahnhof erreichen? Über die „AMI –Brücke“! Am Stolperweg ging es zwischen den Friedhöfen bis in den Wald und dann hinter dem Südwestkirchhof und Wilmersdorfer Friedhof schräg durch den Wald zur Autobahn. Fußgänger auf der Autobahn und zwischen der Fahrzeugabfertigung auf der Brücke, das war damals normal. So war in der ersten Zeit unsere Verbindung nach Berlin. Normal war auch, dass die Rotarmisten im Wald ein zu großes Interesse an Uhren und Frauen hatten, aber gefährlich war damals vieles. Einige Wanderer zum Bahnhof verloren z .B. ihr Leben am Rande der Autobahn, als ein amerikanischer Konvoi stadtauswärts auf einen ihm in einer Kurve rückwärts fahrend entgegenkommenden einen Russen-Lkw prallte. Ich selbst z.B. verlor dabei meinen 7-jährigen Cousin.
Aber auch die Alliierten hatten ihre Probleme; ihr Kontrollpunkt war verkehrlich gut erschlossen, aber leider nur durch die Autobahn. Die einzige Zufahrt zur Eule und nach Albrechts-Teerofen war bis zur Teilung der heute verschwundene Teil der Machnower Straße, der nun dummerweise Brandenburger Herrschafts- und damit Grenzgebiet war. Fast nichts ist mehr davon zu sehen, sie verschwand beim Bau der Mauer. Also wenn die Amerikaner zum Schichtwechsel nicht jedesmal bei ihrem Waffenbruder hindurch fahren wollten, mußte Abhilfe geschaffen werden. Das wäre auch besser für einen Flüchtling, der eventuell den rettenden Kontrollposten erreichen konnte, aber dann in der „sicheren“ Falle saß. Heute würde man sagen: “Reden Sie mit uns!“ Man brauchte nur einen Gebietsaustausch in geringstem Umfang zu vereinbaren, um den mehrfachen politischen Seitenwechsel der Autobahnstrecke zu beseitigen. Später war so etwas tatsächlich möglich. Die Lösung war der seit der Einstellung des Schiffahrtsverkehrs ungenutzte Treidelweg am Kanalufer. In aller Schnelle wurde darauf eine Asphaltpiste von der, nun an der Stammbahnbrücke endenden, Machnower-Straße bis zum Kontrollpunkt gezogen und nach der zerstörten und abgetragenen Kremmnitzbrücke „Kremmnitzufer“ genannt. Damit war ein eigener unkontrollierter Zugang geschaffen.
Mit der Berlin Blockade wurde es ganz still an der Brücke, deren Ende und die Ankunft der ersten Lkw-Transporte wurde ein großes Fest. Am "Checkpoint Bravo" war eine Autobahnraststätte entstanden. Langsam wurde das Ost/West –Rein/Raus auch der DDR zu dumm. Gebietsaustausch war noch nicht erfunden, also wurde schnell und heimlich im Wald unbeobachtet eine den „Checkpoint Bravo“ umfahrende Autobahntrasse gebaut. Im Krieg hieß so etwas „Frontbegradigung“. Als die Berliner Seite gewahr wurde, dass es bald auf ihrem Kontrollpunkt sehr, sehr ruhig werden würde, begann man in fliegender Eile mit dem Bau einer eigenen Kontrollstelle an der künftigen Einfahrtsstelle der Autobahn am Zehlendorfer Kleeblatt an. Umfangreiche Erdbewegungen waren erforderlich, weil die Autobahn dort in Tieflage verlief. Alles was nur wie ein Lkw aussah kam zum Einsatz. Mit knapper Not schaffte man die rechtzeitige Inbetriebnahme. Die Freude währte nicht lange, da gingen die Spielchen los: In der neuen DDR-„Grenzübergangsstelle Drewitz“ gingen die Ampeln bisweilen auf rot und schon stauten die Fahrzeuge auf der AVUS bis zum Funkturm. Der Leidtragende war der Düppeler Forst, in den der „Stauraum Dreilinden“ hineingebaut werden mußte. Profiteur des verwaisten Kontrollpunktes wurde ein Karavan-Club, der sich auf dem stillgelegten Autobahnstück eine Oase in der eingeschlossenen Stadt schaffen konnte. Im offenen Deutschland nach der Wende ließ die Nachfrage verständlicherweise nach. Man war Pächter des Bundesautobahnamtes und andere Gesprächspartner wie z.B. das betroffene Bezirksamt Zehlendorf bekam keinen Fuß auf das abgesperrte Gelände. Einem Einheimischen waren die DDR-Sperranlagen im Grenzvorland nicht verborgen geblieben, und nach der Wende konnte man diese Kunstwerke genau studieren. Neben den Personensperren gab es überall auch Fahrzeugsperren verschiedenster Art. Das waren dann Erdwälle, befestigte Geländestufen, Spanische Reiter, Betonbollwerke und tiefe Gräben in der Art von Panzergräben. Solch einen tiefen Graben, der die Autobahn vor der Kanalbrücke durchtrennte, fand man nach der Wende vor. Dort am Übergang von der Fahrbahn auf aufgeschütteten Damm am Kanalufer zum Anfang der großen Stahlbrücke waren die Betonfahrbahnen auf ca. 8 m abgebrochen und der darunterliegende Damm bis zum Grund abgebaggert. Kein Fahrzeug hätte hier von Dreilinden über die Autobahnbrücke und Teerofen nach Westberlin gelangen können. Unter den Bedingungen der Einheit wollten die Camper auf dem alten Kontrollpunkt, die ihre Zufahrt bisher vom Kremmnitzufer hatten, sich natürlich die Möglichkeit schaffen, wenigstens zu Fuß über die Brücke Richtung Stadt zu gelangen. Sie legten eine stabile verzinkte Stahlgitterbrücke über die künstliche Schlucht und bauten sich eine Tür in die Umzäunung. Bei ihrem Abzug hinterließen sie uns freundlicherweise diese Konstruktion zur Nachnutzung. Alle aktuellen Diskussionen bezüglich Sicherheit dieser Konstruktion würden sich erübrigen, würde man einfach nur den abgegrabenen Damm wieder auffüllen, aber s. o. Projekt 17 „Deutsche Einheit“!
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