Man schrieb das Jahr 1904, als ein Konzept Ernst von Stubenrauchs die internationale Öffentlichkeit auf der Weltausstellung in St. Louis zum Staunen brachte. Der "königliche Landrat" des kleinen Kreises Teltow hatte das Befahren des fast 38 Kilometer langen Teltowkanals auf einen elektrischen Schleppbetrieb ausgerichtet, der sogar zum Vorbild für das Treideln am Panamakanal werden sollte. Noch befand sich der Kanal im Bau. Die wirtschaftliche Entwicklung entlang der künstlichen Wasserstraße hatte gerade begonnen. Doch die Folgen zweier Weltkriege und die Teilung Deutschlands ließen es schließlich für Jahrzehnte still werden am Kanal. Heute erinnern nur noch Stolperstellen an die alten an beiden Uferseiten angelegten Treidelpfade: Rostig und krumm ragen Gleisreste aus dem sandigen Boden.
Das konnte zahlreiche Bürger nicht abhalten, im Sommer 2005 einer Einladung der Lokalen Agenden und anderer Initiativen zu folgen. Auch von Berliner Seite kamen Bürger und Politprominenz. Sie diskutierten beim Spaziergang an dem lauen Frühsommerabend zwischen Knesebeck- und Rammrathbrücke über seit langem gehegte Pläne: An den Ufern der heute 100-jährigen Wasserstraße soll sich ein Park für die Region behutsam entwickeln. Durchgängige Rad- und Wanderwege könnten gleichermaßen den Bürgern der drei Teltow-Kommunen und den Berliner Ausflüglern das Naherholungsgebiet erschließen. Einen "landschaftlichen Schatz" gelte es zu heben, formulierte die "Interessengemeinschaft Teltowkanalaue" beim Gründungstreffen im Januar 2006. Dazu haben die Initiatoren verschiedener Gruppen, vom BUND bis zu örtlichen Wandervereinen, jahrelang gesellschaftliche Kräfte gebündelt und sind, unbeirrt vom bürokratischen Zaudern und Ränkeleien, mit Ideen vorausgegangen - auf dem ersehnten Weg vom Griebnitzsee nach Steglitz. Gleichsam ein Lehrstück bürgerschaftlichen Engagements, zu dem sich auch zahlreiche Politiker und Wirtschaftsvertreter, die die Auenlandschaft als weichen Standortfaktor erkannt haben, gesellten.
Entlang der Wasserstraße, an der Grenzen Staaten und Menschen teilten, würde mit der ausgebauten Kanalaue eine grüne Mitte entstehen; das Herzstück eines umfassenden Regionalparks, der durch die Gemeinsame Landesplanung als "Teltowpark" bereits vorgedacht ist. Ein solcher Regionalpark verbindet auch die Teltow-Gemeinden Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow und erschließt die Highlights der Region: Von den bedeutsamen Stahnsdorfer Friedhofsanlagen über das Schleusenbauwerk am Machnower See, die architektonischen Sehenswürdigkeiten am Weinbergviertel und den historischen Dorfkern Kleinmachnows, bis zur Altstadt in Teltow, gibt es viele "Landmarken", die Radler und Wanderer zum Innehalten einladen.
An jenem Frühsommerabend 2005 betrachtete mancher Teilnehmer jedoch betreten sein Schuhwerk. An der Zehlendorfer Uferseite säumen grüne Pferdekoppeln einen vorhandenen Rad- und Wanderweg, der zwischen Knesebeck-Brücke und Sachtlebenstraße verläuft und am Buschgraben seinen Anschluß findet. Auf Teltower Seite wird es holpriger. Im Uferbereich geht's über sandig-abschüssige Trampelpfade. Hohe Schilfgürtel konkurrieren mit der tristen Rückansicht von Baumärkten, die mit Abstellflächen dem Ufer bedrohlich nahe gerückt sind. Industriebrachen bestimmen das Landschaftsbild. Noch - denn für einen Teil des südlichen Uferabschnitts in Teltow gibt es städtebauliche Perspektiven. Ein Vorentwurf sieht eine maritime Wohnbebauung vor.
Aus östlicher Richtung nähert sich der Kolonnenweg, der als Rad- und Wanderweg bis zur Badstraße nutzbar ist. Er soll künftig im Entwicklungsgebiet weiterführen. Auf halbem Wege zwischen Knesebeck- und Rammrath-Brücke verband die ehemalige Teltowwerft-Brücke Bauhafen und Kraftwerk der Teltowkanal AG mit der Treideltrasse am Südufer. 1962 endete der Betrieb, eine Folge des Mauerbaus. Einige Kanalbauschiffe dümpeln inzwischen wieder im Hafenbecken. Aus der Entstehungszeit hat sich einiges erhalten, vor allem der Hallenbau des Kraftwerkgebäudes.
Dem derzeit wenig genutzten Gelände könnte mit dem bürgerschaftlichen Engagement wieder Leben eingehaucht werden: Eine neue Verbindung möchte man am alten Werft-Brückenkopf schlagen und so auch vorhandene überörtliche Rad- und Wanderrouten verknüpfen. Doch gerade diesen Brückenschlag könnte eine vorgesehene, aber nicht konkret absehbare Kanalerweiterung auf Jahre verhindern: Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr.17 gilt als größter Stolperstein für eine zügige Planung des Naherholungsgebietes. Doch ein Netzwerk aus Fachwissen, alter Erfahrung und neuen Ideen treibt das Projekt Kanalaue voran. Eine wichtige Hürde konnte die "Interessengemeinschaft" inzwischen nehmen: Die Kommunale Arbeitsgemeinschaft der drei Gemeinden zeigte sich im März 2006 endlich einig, gemeinsam ein Konzept für das künftige Naherholungsgebiet "Teltowkanalaue" zu entwickeln - auf den Spuren alter Treidel- und Trampelpfade, vom Griebnitzsee bis Steglitz.
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